Der Junge mit dem Koffer in Düsseldorf

„Die Männer bitte an dieser weißen Linie in einer Reihe aufstellen. Du gehst bitte da auf den roten Koffer, du quetscht dich noch hier hinzu, sie setzen sich dort hinten hin, in die letzte Reihe. Schneller jetzt.“ Die Inszenierung des Theaterstücks „Der Junge mit dem Koffer“ (des britischen Dramatikers Mike Kenny) am Jungen Schauspielhaus unterscheidet sich schon von Beginn an von anderen Vorstellungen, seit Oktober ist sie nun zum zweiten Mal an der Münsterstraße zu sehen und begeistert auf vielfache Weise.

Im Heimatland des Protagonisten Naz (Irak, Syrien, …) herrscht Krieg, seine Familie beschließt die lange Flucht auf sich zu nehmen, das Ziel ist England. Er wird die Reise alleine antreten müssen, denn schon nach kurzer Zeit wird die Familie getrennt, das Geld reicht nur für ihn als jüngeren Sohn aus. Und so beginnt sein abenteuerlicher Weg über Land und Meer nach Europa. Naz wirkt dabei immer wieder überfordert und unsicher, trifft auf viele unerwartete Probleme, schafft es aber am Ende doch bis nach England, auch mithilfe eines mitreisenden Mädchens (Krysia), das ihm immer wieder weiterhelfen muss.

Fünf Darsteller und ein Bühnenbild, um das die Zuschauer herumsitzen, reichen aus, um die Geschichte zu erzählen. Die Handlung bleibt sehr gut nachvollziehbar. Positiv ist auch anzumerken, dass die Zuschauer in die Handlung einbezogen werden, und die Darsteller gut improvisieren bzw. mit Reaktionen der Zuschauer umgehen können. So fragen Naz und das Mädchen an einer Stelle, ob denn jemand Essen dabei habe. Ein Zuschauer gibt den Akteuren einen Duplo Riegel und eine Cola, die prompt von Naz und Krysia aufgegessen bzw. ausgetrunken wurden. Zum Ende müssen die Zuschauer im Saal sogar umziehen, „wir können hier nicht bleiben, wir müssen weiter“ lautet es; zwischendurch können Zuschauer sogar beim Bühnenumbau mithelfen. So erzeugt die Inszenierung eine ganz besondere Nähe. So übersieht man gerne kleinere Schwächen des Stücks, das die letzte Etappe der Fluchtgeschichte fast im Zeitraffer erzählt und dabei auch unrealistische Zufälle und Sprünge produziert.

Insgesamt ist der Besuch von „Der Junge mit dem Koffer“ wirklich empfehlenswert, die besondere Atmosphäre lässt sich nur vor Ort spüren und auch die Handlung ist natürlich komplexer als hier erklärt. Das Stück ist mit einer Altersempfehlung ab 10 Jahren versehen. Daran sollte man  sich auch halten. Kleine Kinder dürften durch die teilweise düstere Handlung (mit Schüssen, Bombendetonationen) und durch die realistische Einbeziehung des Publikums eher verängstigt werden. Jugendliche hingegen erleben hier modernes Theater mit all seinen Möglichkeiten – die Inszenierung wurde inzwischen nicht ohne Grund mit dem Theaterpreis „Der Faust“ ausgezeichnet.

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