Ein schlichter weißer Kasten dient als Bühne. Dr. phil. Jakob Fabian, promovierter Germanist und zu Beginn des Stückes noch als Werbetexter tätig, tanzt wild zum Rhythmus des Schlagzeugs. Es ist irgendwann Anfang der 1930er Jahre, der „Vorabend“ von Hitlers Machtergreifung.
Kästner zeichnet in seinem Roman, der dem Theaterstück zu Grunde liegt, das Bild einer enthemmten Berliner Gesellschaft, die im Nachtleben aufblüht. Ein Einblick in eine bizarre Welt aus Bordellen und illegalen Kneipen. Mitten drin Jakob Fabian, der sich zunächst in der sicheren Rolle als Beobachter wähnt und versucht, die Moral der Menschen zu analysieren und zu bewerten, dabei jedoch selbst in die Fänge des unmoralischen von hemmungsloser Sexualität bestimmten Berliner Nachtlebens hineingerät. Die Menschen hier leben, als gäbe es kein Morgen und blenden den politischen und moralischen Verfall der Zeit einfach aus, indem sie unbewusst Teil davon werden. Auch Fabian entflieht mehr und mehr der durch die Nationalsozialisten entstandenen zunehmenden politischen Polarisierung.
Dem Theaterbesucher bietet sich ein groteskes und verwirrendes Bild einer Zeit, in der Aussichtslosigkeit und Pessimismus den Alltag bestimmten. Wesentlicher Teil der Handlung wird nach kurzer Zeit Fabians bester Freund Labude, ein ehrgeiziger und optimistischer Charakter, der fest daran glaubt, dass die Gesellschaft noch immer eine Chance auf ethische Besserung hat. Kästner setzt Fabian eine konträre Figur entgegen, die jedoch irgendwann auch von der Realität der Zeit eingeholt wird. Labude wird von seiner Verlobten betrogen. Als Folge dieser Enttäuschung gibt auch er sich der allgemeinen Enthemmung hin, die ihn jedoch nur punktuell glücklich macht. Er nimmt Fabian, der tagsüber noch immer in seinem monotonen Beruf als Werbetexter tätig ist, mit in ein Künstleratelier, wo dieser Cornelia Battenberg kennenlernt, eine von ihren bisherigen Beziehungen enttäuschte Frau, die jedoch wie Fabian nicht Teil der allgemeinen Unmoral werden will. Fabian zeigt Verständnis und Empathie für ihre Situation, nach einiger Zeit entwickelt sich eine Liebesbeziehung zwischen den beiden. Fabian gewinnt erstmals Zuversicht und beginnt, seine pessimistische Grundhaltung aufzugeben.
Doch nun trifft ihn das Schicksal umso härter: Zunächst wird er als Werbetexter entlassen, dann offenbart ihm Cornelia, dass sie, um eine Karriere als Filmschauspielerin zu beginnen, die für beide eine Existenzsicherung bedeuten würde, ein Verhältnis mit dem Filmdirektor eingehen muss. Fabian, der dies nicht akzeptieren kann, beendet schließlich die Beziehung und steht nun, nachdem er sich noch kurz zuvor auf dem Höhepunkt seines Glücks befand, verloren und alleine da. Zu allem Überfluss nimmt sich Labude nach der angeblichen Ablehnung seiner Habilitationsschrift, die jedoch in Wirklichkeit mit großer Begeisterung aufgenommen wurde, das Leben. Fabian, dessen Leben nun endgültig, wie es der Titel der Inszenierung bereits ankündigt, vor die Hunde gegangen ist, entschließt sich, in seine Heimat zurückzukehren, wo ihn seine Mutter und alten Freunde/Bekannte erwarten. Seine Moral hält ihn jedoch davon ab, eine ihm dort angebotene Anstellung bei einer rechten Zeitung anzunehmen. Er stirbt schließlich auf tragische Weise bei dem Versuch, als Nichtschwimmer ein Kind vor dem Ertinken zu retten.
Erich Kästner veröffentlichte seinen Debütroman 1931 unter dem Titel „Fabian. Die Geschichte eines Moralisten“. Und so lässt sich Fabian am besten beschreiben – Er ist ein Moralist, der trotz seines Eintauchens in die faszinierende Welt des Berliner Nachtlebens standhaft bleibt und seine Prinzipien nicht aufgibt. Mit ironischen Bemerkungen macht er stets auf den politischen und moralischen Verfall um sich herum aufmerksam. Kästners Roman liefert das Porträt einer enthemmten Gesellschaft, die sich keine Gedanken über die Zukunft macht und so in einem Strom der Unmoral verfließt. „Fabian oder Der Gang vor die Hunde“, so betitelt das Düsseldorfer Schauspielhaus seine Inszenierung. Fabians Leben geht vor die Hunde, als Moralist in einer unmoralischen Gesellschaft verliert er am Ende alles.
Kästners Roman mit autobiographischen Zügen wurde Anfang der 1930er Jahre schnell zur literarische Sensation. Heute lässt er sich als eine Art Warnung interpretieren: Kästner erkannte schon früh den Verfall einer pessimistischen Gesellschaft in einer ihrem Ende entgegenschreitenden Epoche. Die Nationalsozialisten verboten und verbrannten sein Werk. „Gegen Dekadenz und moralischen Verfall“, lautete ihre Parole.
Das minimalistische, aber sehr flexible Bühnenbild sowie die musikalische Untermalung des Schlagzeugers, der am Rand der Bühne sitzt, unterstreichen die Dynamik der Handlung und finden immer den passenden Rhythmus für den schnellen Wechsel von Situationen und Gefühlen. Die vielen Nebenfiguren werden geschickt eingebunden, der Zuschauer verliert in den Wirren des Berliner Nachtlebens nie den Überblick. Bernadette Sonnenbichler schafft es als Regisseurin mit einem hervorragenden Ensemble, das komplexe Werk von Erich Kästner in einer für den Zuschauer gut nachvollziehbaren und stets spannenden Weise auf die Bühne zu bringen. Das Stück dauert 2 Stunden und 45 Minuten, es gibt eine Pause. Weitere Informationen sowie die nächsten Aufführungstermine finden sich auf der Interseite des Düsseldorfer Schauspielhauses.