Ein Städtetrip nach Leipzig

Rathaus Leipzig

Mit den Corona-Lockerung erweitern sich jetzt in der Sommerzeit wieder die Möglichkeiten für Reise und Freizeit. Vor allem erweitert sich allmählich auch der räumliche Horizont. Wir waren am Wochenende auf Städtereise in Leipzig. Hier gibt es aktuell praktisch keine Corona-Fälle mehr. Alle verhalten sich weiterhin vorsichtig und angemessen; gleichzeitig spürt man, wie allmählich das Leben in die Stadt zurückkehrt.

Bauliche Highlights aus verschiedenen Epochen

Leipzig ist eine spannende Stadt. Das letzte Mal war ich Mitte der 1990er-Jahre dort. Viel hat sich seitdem verändert. Die Mehrzahl der großen Altbauten aus der Gründerzeit, die sich oft noch als geschlossen Blockbebauung erhalten haben, wurde inzwischen aufwändig und liebevoll restauriert. Dazwischen begegnen noch immer viele Bauten aus der Zeit der DDR. Aber auch diese Bauten wirken selten verwahrlost. Sie erhalten vielmehr ihre eigene Wertschätzung und Anerkennung dort, wo Ensembles städtebaulich bis heute funktionieren und angenommen werden. Dies ist z. B. am Augustusplatz der Fall, wo die Oper (von Kunz Nierade und Kurt Hemmerling, 1960), das Gewandhaus (von Rudolf Skoda, 1982), die Hauptpost (von Kurt Nowotny, 1964) und das City Hochhaus (von Hermann Henselmann, 1972) ein beeindruckendes, modernes und selbstbewusstes Ensemble bilden. Von der Aussichtsplattform des City Hochhauses eröffnet sich auch ein wunderbarer Ausblick über die Stadt (mit entsprechenden Erläuterungstafeln, 4 Euro pro Person).

Leipzig wurde im Krieg zu 53 % zerstört. Viele historische Gebäude sind verloren gegangen, auch noch in Zeiten der DDR. Trotzdem lag der Zerstörungsgrad in Leipzig wesentlich niedriger als z. B. in Köln oder den großen Ruhrgebietsstädten. Dieses bauliche Potential ist in den letzten Jahren systematisch gestärkt und erschlossen worden. Bei einem Rundgang durch die Stadt entdeckt man überall Schmuckstücke aus der Zeit um 1900, z. B. das im Jugendstil errichtete Kaffeehaus Riquet & Co. (Schuhmachergäßchen 1), das Geschäftshaus Grimmaische Straße 2-4 (mit der schönen Mädler-Passage) oder den Gebäudekomplex „Barthels Hof“ (am Markt), der ältere Barockelemente integriert.

Um den Markt herum finden sich noch mehrere Gebäude aus der Renaissance und dem Barock. Sehenswert ist hier vor allem das langgestreckte Alte Rathaus von 1556 (nach Plänen von Hieronymus Lotter). In direkter Nachbarschaft liegt die 1687 fertiggestellte Alte Börse am Naschmarkt. Noch älter sind die beiden wichtigsten Kirchen der Stadt: die Thomaskirche (aus dem 12. Jahrhundert; die heutige Gestalt stammt im Wesentlichen aus dem 19. Jahrhundert) mit dem Grab von Johann Sebastian Bach und die Nikolaikirche (ebenfalls aus dem 12. Jahrhundert, im späten 18. Jahrhundert frühklassizistisch umgebaut), die eine wichtige Rolle in der Friedlichen Revolution von 1989 spielte. Außerhalb des innerstädtischen Straßenrings lohnt im Südwesten ein Abstecher ins sogenannte Musikviertel; viele Straßen sind hier nach Komponisten benannt. An der Beethovenstraße (Simsonplatz) stehen das imposante Gebäude des Bundesverwaltungsgerichts (ehemaliges Reichsgericht zur Kaiserzeit), erbaut 1888-1895 im Neorenaissancestil, direkt daneben die Universitätsbibliothek Albertina (von 1887/91).

Spannende Museen

Natürlich besitzt Leipzig auch eine dichte Museumlandschaft. Wir haben das Zeitgeschichtliche Forum, das Museum der bildenden Künste und das Deutsche Buch- und Schriftmuseum (der Deutschen Nationalbibliothek) besucht – alle drei sehr sehenswert. Die Dauerausstellung im zeitgeschichtlichen Forum gibt einen anschaulichen Überblick über die Geschichte der DDR. Gerade wenn man aus dem Westen der Republik kommt, kann man hier vieles lernen. Neben den Grundstrukturen der Politik, Wirtschafts- und Sozialgeschichte informieren zahlreiche, auch populäre Exponate über den Alltag in der DDR, z. B. die Geschichte von Freizeit, Konsum und Kultur. Das Museum der bildenden Künste beeindruckt schon durch sein Äußeres, den monumentalen Glas- und Betonbau des Berliner Architektenbüros Hufnagel/Pütz/Rafaelian von 2004. Der Bau bietet einen großzügigen und schlichten Rahmen, um die Kunstwerke angemessen zur Geltung zu bringen. Einige herausragende Werke sind hier zu sehen, darunter z. B. ein Vanitas-Stilleben von Jan Davidsz. de Heem (1628), Caspar David Friedrichs Gemälde „Lebensstufen“ (um 1834) und Paul Delaroches resignierte Napoleon-Darstellung von 1845. Das Buch- und Schriftmuseum liegt abseits der Innenstadt neben der Deutschen Nationalbibliothek. Zu Fuß über die Straße des 18. Juni braucht man gut 20 Minuten. Der Weg lohnt sich, weil hier (an der sog. Messemagistrale) einige bedeutende Wohnbauten stehen, die in den 1960er Jahren nach Plänen des Leipziger Architekten Wolfgang Scheibe entstanden. Wer heute hier entlang geht, denkt zuerst an Sozialen Wohnungsbau oder an Studentenwohnheime, die hier auch tatsächlich stehen. Damals allerdings handelte es sich um ein bevorzugtes Wohnviertel, wo neben der lokalen SED-Elite u. a. auch der langjährige Gewandhauskapellmeister Kurt Masur wohnte. Bis heute erfreuen sich die Plattenbauten nicht zuletzt wegen der Nähe zur Innenstadt großer Beliebtheit; Leerstand gibt es hier kaum. – Die Dauerausstellung im Buch- und Schriftmuseum (Eintritt frei!) gibt anhand zahlreicher bedeutender Exponate einen Überblick über die Buchkunst seit der Renaissance. Sie erläutert die gesellschaftliche Funktion der Literatur, ihre politischen Implikationen (auch die Zensur in der Zeit des Nationalsozialismus und in der DDR) ebenso wie Aspekte der Buchgestaltung und der Typographie.

Hippe Viertel zum Ausgehen und Flanieren

Wer abends ausgehen möchte, kann dies mit großer gastronomischer Auswahl in der Südvorstadt tun (entlang der Karl-Liebknecht-Straße). Auch hier stehen einige geschlossen Wohnkomplexe der Gründerzeit, wo heute viele kleine Geschäfte und Kreative ihren Sitz haben. Auch wenn Graffitisprüche an den Wänden hart mit der Gentrifizierung ins Gericht ziehen, ist diese in der Südvorstadt weitgehend vollzogen. Die neue (akademische) Mittelschicht hat von diesem Stadtteil Besitz ergriffen und prägt das Angebot. Dementsprechend kommt man hier auch als Vegetarier oder Veganer auf seine Kosten. Wir empfehlen das Restaurant „An Chay“ (Karl-Liebknecht-Straße 1) mit moderner asiatischer Küche (lecker und gute Portionen). Übernachtet haben wir direkt um die Eckei Hotel Michaelis (Paul-Gruner-Straße 44). Das Hotel ist modern, der Service ist freundlich und hilfsbereit. Jetzt in der Corona-Zeit unternimmt das Team alles, um den Gästen ohne Einschränkungen des Komforts ein gutes Gefühl der Sicherheit zu geben. Obwohl in der Südvorstadt immer etwas los ist, liegt das Hotel erstaunlich ruhig. In der hoteleigenen Garage kann man (recht günstig für 6 Euro/Tag) den Wagen parken, den man in Leipzig sowieso nicht braucht. –

Apropos Gentrifizierung: Zum Abschluss unseres kleinen Städtetrips haben wir noch einen Ausflug nach Plagwitz unternommen. Der Stadtteil ist geprägt durch viele kleine Kanäle mit umgebenden Grünzügen und einigen bedeutenden Relikten des Industriezeitalters (die Spinnereigebäude der Sächsischen Wollgarnfabrik aus den 1880er- und 1890er Jahren an der Holbeinstraße, die Hallen der Maschinen- und Armaturenfabrik Schumann & Co. [Westwerk] an der Karl-Heine-Straße, die alte Konsumzentrale von 1932 an der Industriestraße). An der Karl-Heine-Straße liegen schöne Altbauten aus der Gründerzeit, in denen sich heute einige schöne Geschäfte und Cafés niedergelassen haben.

Gastro-Tipps für Vegetarier & Veganer
Noch zwei ergänzende Gastro-Tipps für Veganer: Nett war es im Café Katzentempel (Nürnberger Straße 1). Der Name ist hier Programm. Im Gastraum tummeln sich die Katzen, für die eine Vielzahl an Spiel- und Klettergeräten aufgebaut ist. Das Essen ist ordentlich (kleiner Punktabzug allerdings für den etwas wässrigen Espresso!), der Service ist fix und freundlich. In der Innenstadt kann man auch bei Dean & David (Brühl 1) gut essen. Es handelt sich zwar um eine Kette, aber alles wird hier von Hand frisch zubereitet. Die Preise sind fair. Kaffeespezialitäten auch mit Sojamilch (und dazu leckeren veganen Apfelkuchen) erhält man bei Coffee Fellows (Nikolaistraße 55).

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