Krefeld macht das Bauhaus erfahrbar. Pünktlich zum 100-jährigen Bauhaus-Jubiläum hat die Stadt Haus Esters und Haus Lange (für gut eine Mio. Euro) saniert. Die beiden Villen, entworfen von Mies van der Rohe, sind nach einem Jahr Schließung seit dem 17. März 2019 für die Öffentlichkeit wieder zugänglich. Und ein Besuch lohnt sich! An keinem Ort sonst in der Region kann man die Prinzipien und die Ästhetik des Bauhauses besser erleben als bei einem Besuch der Krefelder Industriellenvillen.
Die beiden Bauhaus-Villen: Haus Lange and Haus Esters
Hermann Lange, der in den 1920er Jahren in Krefeld der Vereinigten Seidenweberei Aktien Gesellschaft (Verseidag) vorstand, kam vermutlich als Kunstsammler in Kontakt zu Mies van der Rohe. Er gewann seinen Kompagnon Josef Esters für die Idee, in der Nähe des Krefelder Stadtwaldes zwei benachbarte Häuser zu errichten. Die Grundstücke an der Wilhelmshofallee wurden 1921 und 1923 erworben; wenige Jahre später beauftragte Lange Mies van der Rohe mit den Entwürfen. Die ersten Pläne datieren vom Sommer 1927. Mies konzipierte zwei L-förmige langgestreckte, zweigeschossige Baukörper. Die Räume sollten weithin offen gestaltet werden mit breiten Fensterfronten. Dass dieses Konzept nicht vollständig umgesetzt wurde, geht auf eine Intervention Langes zurück, der geschlossene Räume forderte. Trotz dieser Einflussnahme des Bauherrn schuf Mies ein Gebäude, das dank seiner vielen Fenster Leichtigkeit und Großzügigkeit ausstrahlt. Wenn man heute das Bauhaus mit Demokratie assoziiert, dann muss man doch konstatieren, dass sich Mies van der Rohe mit den beiden Krefelder Villen zwar nicht prunkvoll-repräsentativ, aber doch gediegen-aristokratisch gab. Im Hintergrund der weiten, lichtdurchfluteten Räume mit wertvollen Holzböden legte er praktische Wirtschaftsräume an, von denen aus die Bewohner und ihre Gäste bedient werden konnten. Auch Garagen für die Autos sind vorhanden; sie liegen jeweils im Kellergeschoss. Ihre Tore sind dezent im gleichen Dunkelgrün gehalten wie die Fensterrahmen.
Innengestaltung & Sanierung
Für die Innengestaltung der Villen stammten die Vorschläge von der Designerin Lilly Reich, die ab 1926 eng mit Mies van der Rohe zusammenarbeitete. Wie wir es vom Bauhaus erwarten, war die Ausstattung eher spartanisch geplant. Fotos zeigen, wie die Villen früher eingerichtet waren. Dabei wird auch erkennbar, dass Lange und Esters neben den Bauhaus-Möbeln auch eigene Einrichtungsgegenstände einbrachten und vor allem auch eine größere Zahl an Kunstwerken.
Heute ist von dieser ursprünglichen Einrichtung kaum noch etwas vorhanden. Allerdings besteht noch bis zum 14. April die Möglichkeit, die Räume mit einer VR-Brille zu begehen, über die einem die historische Inneneinrichtung als Augmented Reality eingeblendet wird. Wer es lieber echt-real mag, findet Spuren der historischen Einrichtung in Gestalt der vielen hölzernen Wandregale, die sich harmonisch in die klar gegliederten Flächen einfügen, sowie in einer Gruppe von Barcelona-Sesseln.
Die Sanierung der beiden Villen erfolgte aus Städtebaumitteln des Bundes und der Stadt Krefeld. Nach der umfassenden Sanierung 1998/2000 wurden jetzt die Fassaden gereinigt, die Holzböden abgebeizt und geölt, die Fensterrahmen gestrichen und die Fallrohre neu in Kupfer ausgeführt. Daneben wurde auch die Gartenanlage überarbeitet (durch Aufforstung, Instandsetzung der Pflasterung und Beleuchtung) und das Gartenhaus von Haus Esters vollständig saniert. Schließlich erhielten die Villen eine barrierefreie Sanitäreinrichtung für die Besucherinnen und Besucher.
Haus Lange und Haus Esters können dienstags sowie donnerstags bis sonntags von 11 bis 17 Uhr sowie mittwochs von 15 bis 21 Uhr besichtigt werden. Wer von auswärts anreist, sollte die Gelegenheit nutzen, sich auch das ein oder andere weitere Bahaus-Juwel in Krefeld noch anzusehen:
- Mies van der Rohe, Verwaltungsgebäude für die Vereinigten Seidenweberei Aktien Gesellschaft (Verseidag), HE-Gebäude (HE: Herrenfutterstoffe), 1931/1935 (Aufstockung) Mies van der Rohe Business Park, Girmesgath 5
- Ernst Schäfer, Haus Feubel, 1928 – Uerdinger Straße 487
- Hans Poelzig, Wohnhaus für Textilfabrikanten Ilse und Friedrich Steinert, 1929-1931 Kliedbruchstraße 67
Café Bettinger
Nach dem Besuch der Bauhaus-Villen können wir einen Abstecher ins Café Bettinger wärmstens empfehlen. (Friedrich-Ebert-Straße 240, 47800 Krefeld) Bei hausgemachtem (Bio-)Kuchen und einer Tasse Kaffee kann man hier den Ausflug entspannt ausklingen lassen. Geöffnet hat das Café werktags von 9-18 Uhr und am Sonntag von 13-17 Uhr.