Livemusik, Secondhand-Klamotten und Streetfood – das sind die Bestandteile eines Konzepts, das nicht nur in Düsseldorf erfolgreich ist. Am Samstag haben wir in einer der angesagtesten Locations der Stadt, dem Boui Boui Bilk, das Trödel-Event Nachtkonsum besucht.
In den Fertigungshallen der ehemaligen Schraubenfabrik, die jenen Charme von Industriekultur verbreitet, der eigentlich im Ruhrgebiet zu finden ist, boten Dutzende von Trödlern ihre Waren feil: Vom selbstgestrickten Pullover bis hin zum (ehemals) teuren Designerstück, vom handgefertigten Ohrgeschmeide bis zur ausrangierten Pilates-DVD – hier wurden viele Geschmäcker bedient. Der Vorteil dieses Indoor-Flohmarkts liegt auf der Hand: Auch bei schlechtem Wetter ließe es sich hier gut aushalten.
Draußen im Hof wurden aus Foodtrucks neben den altbekannten Fritten mit Currywurst auch vegetarische und vegane Köstlichkeiten verkauft – sehr zu empfehlen sind die Panini mit gegrilltem Gemüse. Drinnen war eine Bühne aufgebaut, auf der nacheinander zwei Newcomerbands aus der angesagten Singer-Songwriter-Sparte auftraten. Randfigur aus Düsseldorf und Talya aus Köln hatten selbst viel Spaß, vor einer Handvoll Leuten, die es sich vor der Bühne auf alten Wohnzimmermöbeln im Stil des „Gelsenkirchener Barock“ gemütlich gemacht hatten, zu spielen. Dass die Songs teils improvisiert wirkten, verlieh der Veranstaltung einen besonderen Charme.
Angesichts einer solchen Veranstaltung ist es wirklich schade, dass das alte Industriegebäude in absehbarer Zeit abgerissen werden soll. Auf dem innenstadtnahen Gelände an der Suitbertusstraße sollen 78 Wohnungen entstehen, darunter immerhin auch einige Sozialwohnungen. Angesichts des eklatanten Wohnungsmangels in Düsseldorf ist diese Absicht nachvollziehbar. Zu fragen ist allerdings, ob nicht gerade im stark verdichteten Bilk auch offene und kreative Freiräume notwendig sind, wo sich Menschen aus dem Stadtteil begegnen können. Die ehemalige Schraubenfabrik Max Mothes repräsentiert ein Stück mittelständische Wirtschaftsgeschichte in Düsseldorf. Ein Stadtteil braucht solche Orte, an denen sich eine immer rascher wandelnde Gesellschaft ihrer Identität versichern kann. Die neuere Stadtsoziologie hat längst entdeckt und analysiert, dass sich mit dem Ausbau zivilgesellschaftlicher Strukturen das Verhältnis der Bürger zu ihrem Stadtteil verändert.
Vom Geocaching über Flashmobs bis zum Urban Gardening zeichnet sich ein Trend ab, bei dem die Bürgerinnen und Bürger ihrem Recht auf Stadt bzw. dem Recht auf „ihre“ Stadt Ausdruck verleihen. Man könnte sich gut vorstellen, dass das Boui Boui als kreatives und alternatives Zentrum eine wichtige Rolle als Ankerpunkt für eine neue urbane Kultur in Bilk spielen könnte. Nichts wäre schlimmer, als dieses zarte Pflänzlein durch standardisierte Renditearchitektur zu verdrängen und zu zerstören. Wünschenswert wäre es, wenn es gelänge, zumindest Teile des Boui-Boui-Konzepts und der Gebäude zu erhalten – leider sieht es momentan nicht danach aus.
Welches Potential das Boui Boui bietet, kann man in den nächsten Monaten noch bei verschiedenen Gelegenheit entdecken. Bis zur Räumung und zum drohenden Abriss wird auch der (Nacht-)Flohmarkt Nachtkonsum noch einige Male stattfinden, das nächste Mal am 9. September 2017. Wer die tolle Atmosphäre erleben will – nichts wie hin!
Gastautorin: Kathrin Pilger