Waren Sie schon einmal in Hamborn? Wenn nicht, fahren Sie hin! Hamborn bietet keinen geschlossen erhaltenen historischen Stadtkern, kein typisches Altstadtflair. Die Stadt entwickelte sich erst am Ende des 19. Jahrhunderts rasant mit der Industrialisierung, vor allem dem Aufstieg der Stahlindustrie (August-Thyssen-Hütte). 1911 erhielt Hamborn, damals bereits eine Großstadt mit über 100.00 Einwohnern, das offizielle Stadtrecht. Im Jahr 1929 wurde Hamborn nach Duisburg eingemeindet. Es blieb dennoch – auch innerhalb der Großstadt Duisburg-Hamborn – ein eigenständiges urbanes Zentrum mit entsprechender Infrastruktur, vor allem im Bereich des Einzelhandels. Bis heute haben sich in Hamborn viele historische Bauten vor allem aus den ersten drei Jahrzehnten des 20. Jahrhundert erhalten. Nicht alle diese Bauten entdeckt man auf Anhieb; an vielen Stellen haben städtebauliche Entwicklungen der Nachkriegszeit die alten Strukturen überformt. Wer sich allerdings die Zeit nimmt und gezielt den Baudenkmälern nachspürt, ist überrascht über das architektonische Niveau und den Anspruch, mit dem die aufstrebende Stadt und ihre Bürger sich selbstbewusst nach außen präsentierten. Wir haben einen kleinen Rundgang durch Alt-Hamborn gemacht, der an wichtigen historischen Bauten vorbeiführt. Er beginnt am Hamborner Altmarkt, wo man zumindest am Wochenende gut parken kann. Es ist aber natürlich auch möglich, mit der Bahnlinie 903 (Rathaus Hamborn) anzureisen.
Vom Altmarkt führt der Weg über die Richter- und Rathausstraße zur ersten Station, dem Hamborner Rathaus (1902-1904). Der Neorenaissance-Bau nach den Plänen des Rheydter Architekten Robert Neuhaus erinnert in manchem durchaus an das Rathaus in Duisburg; der große Uhrenturm symbolisiert großstädtischen Anspruch. Diesen Anspruch dokumentiert auch das dem Rathaus gegenüberliegende, neoklassizistisch inspirierte Postamt von 1925. – Der Duisburger Straße nach Nordwesten folgt auf der rechten Seite das 1927-1930 im Stil der Neuen Sachlichkeit erbaute Amtsgericht, wenig weiter das Kaufhausgebäude des Kölner Warenhauskonzerns Leonhard Tietz aus dem Jahr 1929 (später nach der Arisierung Kaufhof, heute Medimax). Das Gebäude überrascht mit einer für die Zeit modernen, schlichten Gestaltung und weist stilistisch schon auf die 1950er Jahre voraus. Auf dem Dach befand sich früher ein Café.
Wir verlassen Hamborns „Gute Stube“ in nordöstlicher Richtung über die August-Thyssen-Straße. Vor der Eingemeindung sollte hier einmal Hamborns Prachtmeile bis zum Bahnhof entstehen, das Projekt kam mit der Eingemeindung der Stadt jedoch zum Erliegen. Einige schöne Villen sind trotzdem noch heute am Eingang der Droste-Hülshoff-Straße zu sehen. Dieser Straße folgen wir, bis links die Simrockstraße einmündet. An der Kreuzung verdienen zwei Häuser besondere Aufmerksamkeit, weil ihre Dächer in der Form eines umgekehrten Schiffsrumpfs geformt sind (vielen Dank an dieser Stelle für die freundlichen Hinweise eines Anwohners aus der Simrockstraße!). Rechts am Eingang der Simrockstraße befindet sich das ehemalige Verwaltungsgebäude der Bergmannssiedlung GmbH aus dem Jahr 1930/31. Die Entwürfe für das Gebäude im Bauhausstil stammen von dem Architekten Emil Mewes aus Köln. Das Haus ist kürzlich erst verkauft worden, man darf gespannt sein, was die neuen Besitzer daraus machen. Nach Entwürfen von Emil Mewes entstand auch das heute sogenannte Bauhaus-Karree, ein Wohnkomplex aus den Jahren 1929/30, der zwischen 2003 und 2006 aufwändig restauriert wurde. Ihn erreichen wir, indem wir die Simrockstraße bis zum Ende durchgehen und dann rechts für etwa 200 Meter der Kampstraße folgen (bis zur Ecke Kampstraße/Kantstraße). Am Bauhaus.-Karree folgen wir der Kantstraße in nördlicher Richtung und biegen an der ersten Kreuzung links in die Hans-Sachs-Straße ein. Nach etwa 300 Metern stoßen wir wieder auf die August-Thyssen-Straße und stehen vor einem der interessantesten Baukomplexe in Hamborn.
Er beginnt links mit dem Polizeidienstgebäude aus dem Jahr 1927 (August-Thyssen-Straße 39-41). Das Gebäude mit dem markanten Treppengiebel und Torbögen im Erdgeschoss beherbergt auch heute noch eine Polizeiwache (die sich allerdings zunehmend schwer tut mir dem Gebäude, das von Bergschäden betroffen ist und modernen Behördenstandards nicht mehr entspricht). Rechts neben der Polizeiwache folgen, ebenfalls im charakteristischen Stil des Backsteinexpressionismus, die 1929 bis 1934 errichtete Mittelschule (heute August-Thyssen Realschule bzw. Sekundarschule-Hamborn) und anschließend die Gewerbliche Berufsschule (um 1934; heute Robert-Bosch-Berufskolleg). Besonders aufwändig gestaltet ist der Eingangsbereich mit zwei Großfiguren und drei Schilden, die neben dem Wappen von Hamborn (steigender Löwe) Symbolzeichen für einzelne Lehrfächer mit engem Bezug zum Bergbau zeigen (u. a. Hammer und Schlegel, Zirkel und Winkelmaß).
Direkt gegenüber der Berufsschule (jenseits der Walter-Rathenau-Straße) liegt die Zinkhüttensiedlung, die der Berliner Architekt Max Taut in den 1950er Jahren für die Arbeiter der August-Thyssen-Hütte entwarf. Der Bestand der Siedlung war in den vergangenen Jahren stark gefährdet, weil hier ein großes Outlet-Center entstehen sollte. Nach dem Ende der Outlet-Pläne bemüht sich derzeit ein neuer Investor um die Revitalisierung der Siedlung für Wohnzwecke. Man sieht deutlich, dass hier einiges zu tun ist. Bleibt zu hoffen, dass der Investor mit seinen Plänen Erfolg hat! Das ist auch unter dem Gesichtspunkt des Denkmalschutzes zu wünschen, denn die Siedlung ist mit ihren weiten Grünflächen ein Musterbeispiel für die Ambitionen des modernen Arbeiterwohnungsbaus nach 1945. Von der Zinkhüttensiedlung machen wir, nochmals der August-Thyssen-Straße folgend, einen kurzen Abstecher zum alten Hamborner Bahnhof (von 1911/12), der heute einen Festsaal für Hochzeiten mit entsprechender Gastronomie beherbergt.
Über die Walter-Rathenau-Straße erreichen wir das ehemalige (heute leider völlig verwahrloste) Städtische Hallenbad (Baubeginn 1929) und die (1975 eröffnete) Rhein-Ruhr-Halle, in der 1995 sogar Michael Jackson im Rahmen von „Wetten, dass…?“ aufgetreten ist. Wir überqueren die Duisburger Straße und unterqueren die B8. Würde man an dieser Stelle geradeaus weitergehen, käme man nach Marxloh. Wir biegen aber direkt hinter der Unterführung links ab in die Buschstraße. Diese Straße und ihre Bebauung sind nicht sehenswert, die Straße dient uns lediglich als Verbindung zur Abtei (etwa 1 km Fußweg).
Die Abtei ist eine grüne Oase der Ruhe im großstädtischen Hamborn. Das Kloster wurde im 12. Jahrhundert gegründet und 1806 mit der Säkularisation wie die meisten Klöster aufgehoben; 1959 entstand das heutige Prämonstratenserkloster. Von den ursprünglichen Bauten ist nur wenig original erhalten, das Meiste wurde nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs wiederhergestellt. Das Innere der Gebäude ist nur im Rahmen von (regelmäßig stattfindenden) Führungen zugänglich. Einen guten Eindruck vermittelt der virtuelle Rundgang auf der Homepage der Abtei. Dem Gebäude gegenüber befindet sich das St. Johannes-Hospital. Dessen Erweiterungsbau aus den Jahren 1926-29, entworfen vom Düsseldorfer Architekten Wilhelm Brocker, lohnt auf jeden Fall noch einen kurzen Abstecher. Dann geht es über die Jägerstraße (die Autobahn überquerend) zurück zum Ausgangspunkt des Rundgangs. Die Jägerstraße war und ist die Hauptgeschäftsstraße Alt-Hamborns. Hier befinden sich zahlreiche historische Geschäftshäuser aus der Zeit um und nach 1900, die allerdings oftmals – insbesondere im Erdgeschoss – baulich verändert wurden. Sehenswert sind u. a. die ehemalige Gaststätte „Zur alten Post“ (Nr. 52, heute ein türkisches Vereinshaus) und das ehemalige Kaufhaus Braun (an der Ecke Weidmannstraße).
Zurück am Hamborner Altmarkt, hat man sich eine kleine Stärkung verdient. Für eine gepflegte Tasse Kaffee und ein gutes Stück Kuchen bieten sich leider nicht allzu viele Möglichkeiten. Wir empfehlen das Café Neul am Altmarkt 19. Interessanter als die Kuchenauswahl ist hierbei das Interieur des Hauses. Es ist – zugegeben – schon etwas in die Jahre gekommen, passt gerade damit aber durchaus zum Abschluss eines historischen Stadtrundgangs.
Die Gewerbliche Berufsschule (heute Robert-Bosch-Berufskolleg) wurde 1927-1929 gebaut (und nicht 1934)
Das Café Neul gibt es leider nicht mehr.
Wow! Eine echt schöne Diskografie über Duisburg!